Auch wenn KI im Journalismus dank Generative AI und Tools wie ChatGPT einen regelrechten Hype erlebt, ist Künstliche Intelligenz keine Unbekannte in der Medienbranche. Von Deep Fake Videos bis zu Roboterjournalismus – Redaktionen müssen sich schon lange mit der Digitalisierung ihres Berufs und auch mit KI auseinandersetzen. Neu ist jedoch die Geschwindigkeit, mit der neue Innovationen in unseren Arbeitsalltag Einzug halten. KI ist daher ein viel diskutiertes Thema im Journalismus, das sowohl Vorteile als auch Herausforderungen mit sich bringt. Wir klären genauer, was KI im Journalismus ist, welche Anwendungsfälle es in der Branche bereits gibt, wie Redaktionen am besten damit umgehen und wohin die Reise mit Künstlicher Intelligenz gehen kann.
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Definition: Was ist eigentlich Künstliche Intelligenz?
Eine einzige Definition für KI ist gar nicht so leicht, da sich das Forschungsgebiet immer weiterentwickelt und sich damit auch die Definitionen regelmäßig anpassen. Bei der Frage “Was ist KI?” denken viele natürlich an “intelligent”. Und tatsächlich: KI hat definitiv mit intelligentem Verhalten zu tun, jedoch weniger mit echtem “Denken”. KI ist vielmehr ein Forschungsgebiet rund um Systeme, die beobachten, lernen und handeln sollen wie Menschen. Es werden Maschinen entwickelt, die aufgrund von umfangreichen Daten eigenständig entscheiden können und sich damit intelligent verhalten. Hier gibt es die „starke KI” ebenso wie die “schwache KI” – und vor allem letztere soll uns Menschen unterstützen und einzelne Fähigkeiten meistern.
Für die Medienbranche wird vor allem ein Teilbereich der KI besonders wichtig: “Machine Learning”, also maschinelles Lernen. Mit Algorithmen, mathematischen Formeln und Statistik lernen KI-Systeme, aus Daten bestimmte Muster zu erkennen, auf dieser Grundlage Prognosen und Empfehlungen zu treffen und sie lernen auch, sich zu verbessern.
Besonders die maschinelle Verarbeitung von natürlicher Sprache (NLP; Natural Language Processing), die Vorhersage oder auch Generierung sind hier wichtige Werkzeuge für Prozesse in der Medienproduktion. Solche Technologien aus dem Bereich Machine Learning können eine Vielzahl an Prozessen in Redaktionen und Newsrooms von Content-Recherche über Produktion bis Veröffentlichung automatisieren und standardisieren.
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Und was ist Generative AI?
Aktuell taucht vor allem “Generative AI”, also generative Künstliche Intelligenz als Schlagwort auf. Es meint damit genau die Algorithmen, die zur Erstellung, also zur Generierung neuer Inhalte wie Text, Audio, Code oder Bilder verwendet werden. ChatGPT ist dafür ein gutes Beispiel: Es generiert neue Texte in einer Art Chat. Anders als bisherige Chatbots sind die Antworten von ChatGPT also nicht vorher geskriptet, sondern die KI reagiert zielgerichtet und immer neu auf die ihr gestellten Fragen oder Prompts.
KI im Journalismus ist nicht neu: Roboterjournalismus
Schon weit bevor ChatGPT, dessen Sprachmodell mit einer Vielzahl an Texten aus dem Internet trainiert wurde, die große Runde gemacht hat, gab es bereits Sprachmodelle. KI und Algorithmen waren auch schon vorher in der Lage, Sprache zu verarbeiten oder Texte zu generieren. In der Medienbranche hat sich daher auch vorher der Begriff Roboterjournalismus oder automatisierter Journalismus etabliert. Zahlreiche Artikel zum Thema sind vor Jahren erschienen. Ein paar Beispiele:
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Schon 2012 beschrieb der dänische Forscher Arjen van Dalen in “Journalistic Practice”: “The algorithms behind the headlines: How machine-written news redefines the core skills of human journalists?”
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2013 veröffentlichte der amerikanische Wissenschaftler Matt Carlson in “Digital Journalism“ seinen Artikel “The Robotic Reporter. Automated journalism and the redefinition of labor, compositional forms, and journalistic authority”
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2014 berichtete Der Spiegel über “Text-Algorithmus. Software schreibt 10.000 Wikipedia-Artikel am Tag”
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2017 titelte Die Zeit: “Keine Angst vor Roboter-Reportern”
Wo haben die ersten Roboter den Journalismus unterstützt? Vor allem bei Themen rund um Wetter, Sport oder die Börse. Denn hier gibt es viele strukturierte Informationen, also Daten, die sich die frühen KI-Modelle zu Nutze machen konnten.
Aber was hat jetzt beim Thema KI den Hype ausgelöst?
Neu bei der Verwendung von KI sind zwei Entwicklungen: Immer besser werdende Sprachmodelle und eine bessere Bedienbarkeit der Tools. Durch eine Chat-Komponente wie etwa in ChatGPT ist es viel einfacher für Anwender:innen geworden, KI einzusetzen. Das sogenannte “Prompting”, also der Befehl an die KI, wird leichter und kann einfach in natürlicher Sprache erfolgen. Und durch ein regelrechtes Wettrennen um die besten Sprachmodelle zwischen OpenAI, Google und Co. werden außerdem die Ergebnisse immer besser. Man könnte also sagen: Die Hürden für KI verschwinden immer mehr.
KI im Einsatz: Aktuelle Anwendungsfälle
Durch diese Entwicklungen sind die Berichterstattung im Sport oder News zu Aktien nicht mehr die einzigen zitierten Einsatzfelder: In vielen Redaktionen und Verlagen ist bereits unterschiedlichste KI-Software im Einsatz. Medienschaffenden ist dabei nicht immer bewusst, dass hinter vielen kleinen Automatisierungen bereits eine Form von maschinellem Lernen und damit Künstliche Intelligenz steckt.
Wie wird KI in der Medienbranche schon heute eingesetzt?
- Ein weit verbreitetes Beispiel für KI in Medienunternehmen ist der Einsatz von Transkriptionssoftware. Solche Software wird heute durch Künstliche Intelligenz unterstützt, um Audio- und Videodateien schnell zu transkribieren. Interviews, Mitschnitte oder Aufzeichnungen lassen sich so in wenigen Minuten in Text verwandeln und zur weiteren Verarbeitung nutzen.
- Auch für Rechtschreibhilfen oder die Übersetzung von Sprachen wird KI schon eingesetzt. Ein bekanntes Tool ist hier sicherlich DeepL aus Köln mit eigener KI-Übersetzungstechnologie.
- Automatisierte Texterstellung oder Textgenerierung: Viele kleine Verlage und besonders der Lokaljournalismus setzen bereits auf KI, um bei der Produktion von Beiträgen zu unterstützen. Kleine Teams im Lokaljournalismus können so das große Aufkommen an tagesaktuellen Nachrichten bewältigen.
- Auch in der Videoproduktion lässt sich KI schon sinnvoll einsetzen. Zum einen können Redaktionen Bewegtbild-Content automatisch vertexten, untertiteln oder mit einem Voice-Over versehen lassen. Zum anderen kann KI auch ganze Clips und Snippets automatisch aus einem Artikel erstellen. Das Studio 47, ein kleiner, regionaler Nachrichtensender, setzt dazu beispielsweise ein eigenes Tool ein, um ihr Vollprogramm mit kleiner Redaktion zu unterstützen.
- Immer mehr Redaktionssoftware wird bereits durch KI unterstützt und nimmt Redaktionen bei der Themenplanung und Ausarbeitung Arbeit ab. Newsmind Stories etwa automatisiert viele sonst sehr repetitive und zeitintensive Aufgaben, zum Beispiel in der Recherche und im Monitoring. Es hilft auch dabei, Meldungen schon nach Relevanz vorzusortieren und ähnliche Meldungen des Wettbewerbs anzuzeigen
Newsmind Stories in Zukunft auch mit Generative AI
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Künstliche Intelligenz im Journalismus greift auch beim Community Management unter die Arme. Schließlich zählen zu den Aufgaben von Journalist:innen nicht nur das Recherchieren oder Prüfen von Informationen, das Aufbereiten oder Veröffentlichen: Sie interagieren ebenso mit ihrem Publikum und müssen moderieren. Warum KI in diesem Bereich? KI kann Kommentare vorfiltern und beispielsweise Signalwörter beobachten. Erst mit moderner Technologie ist es Redaktionen möglich, den Überblick über tausende von Kommentaren zu bekommen und zu behalten.
Künstliche Intelligenz kommt außerdem in der Archivsuche zum Einsatz, bei der Verlinkung von Beiträgen und passenden Inhalten, beim automatischen Setzen von Print-Ausgaben, bei Analytics und Vorhersagen für einen nutzerzentrierten Journalismus, beim Contextual Advertising, bei der Erstellung von Audiospots oder sogar der Generierung von ganzen Audioprogrammen sowie passendem Bildmaterial. Und dies sind nur einige Beispiele, die deutlich machen: KI und Machine Learning sind bereits tief in der Medienbranche verwurzelt.
Welche Aufgaben könnten Maschinen künftig womöglich noch besser übernehmen?
Viele der neuen KI-Tools wie Midjourney, ChatGPT, DeepL Write stecken noch in ihren ersten Versionen und viele Unternehmen sind dabei, die GPT-Modelle von OpenAI oder auch Sprachmodelle von Aleph Alpha in ihre Software und Lösungen einzubauen und an verschiedene Anwendungsfälle anzupassen.
Mit der Zeit werden diese Anwendungen noch besser, noch ausgereifter und auch Anwender:innen werden sich immer mehr angeeignet haben, mit den Tools umzugehen. Dann könnte Künstliche Intelligenz noch weitere Aufgaben übernehmen, zum Beispiel gegen Desinformation und Fakes News oder in größerem Maße bei der automatischen Texterstellung, in der Videoproduktion, beim Komponieren von Musik oder noch professioneller in der Bildgenerierung.
Sicher ist aber: KI-Lösungen in der Medienbranche werden keine menschenähnlichen Androiden, sondern bleiben ein Werkzeug der Digitalisierung. Sie sind Tools, um den Journalismus zu unterstützen.
Vorteile von KI: Die Chancen nutzen
Bei all den genannten Anwendungsfällen von KI im Journalismus steht die Entlastung des Menschen im Mittelpunkt. So hilft KI-Software dabei, den Redaktionsalltag produktiver und Beiträge besser zu machen, denn KI kann bestimmte repetitive oder zeitraubende Aufgaben übernehmen. Das schafft Zeit und Raum für neue publizistische Formate, tiefgreifende Recherchen und mehr Kreativität.
Wir haben die Vorteile von KI in der Medienbranche gesammelt:
- Durch den Einsatz von KI können Redaktionen mehr Inhalte anbieten und damit zu mehr Demokratie in der Berichterstattung beitragen – besonders für den Lokaljournalismus wichtig.
- Durch eine breitere Berichterstattung können mehr Leser:innen erreicht werden, was auch zu mehr Abonnements führen kann.
- Redaktionen können ihre Kosten senken, da durch automatisierte Prozesse Ressourcen frei und besser eingesetzt werden.
- Durch Effizienzsteigerungen sparen Medienhäuser weitere Kosten ein.
- KI kann die Qualität der Berichterstattung verbessern, zum Beispiel im Datenjournalismus: KI kann Muster in großen Datenmengen besser erkennen als Menschen.
- Redakteur:innen können Zeit sparen, zum Beispiel durch den Einsatz einer Transkriptionssoftware oder Software für das Monitoring, und diese Zeit für anspruchsvollere, kreative Aufgaben nutzen.
- Mehr Content kann zusätzliche Werbeeinnahmen realisieren.
- Mit KI und Datenanalyse können Medien relevantere Inhalte anbieten und für bessere Erfahrungen beim Publikum sorgen.
Wenn KI so eingesetzt wird, dass sie den Redakteur oder die Redakteurin unterstützt, stärkt sie Kreativität und auch die Rolle von Medien als Wissensvermittler.
Herausforderung KI: Eine Gefahr für die Medien?
Trotz der Chancen durch KI gibt es natürlich auch Herausforderungen. Medienschaffende fürchten um ihre Jobs, um die Qualität des Journalismus oder auch darum, in ihrer Rolle als Vermittler ersetzt zu werden. Kann KI also auch eine Gefahr für Medien sein? Die Antwort muss erstmal sein: Ja. Denn jede neue Technologie lädt dazu ein, missbraucht zu werden.
Der verantwortliche Umgang mit solchen Technologien ist nicht immer sichergestellt und auch die Medienkompetenz des Publikums muss weiter aufgebaut werden. Schon heute fällt es Menschen schwer, Fake News zu erkennen, seriöse Quellen auszumachen und bei der Informations- und Kanal-Flut mitzukommen. Mit den Möglichkeiten von generativer KI steigt die Gefahr von Deep-Fake-Videos oder falscher Propaganda.
Der Journalismus hat auch hier eine Sorgfaltspflicht und muss die Herausforderungen adressieren:
Qualitätssicherung
Wenn KI-Systeme Inhalte erstellen, müssen Menschen bzw. Journalist:innen kontrollieren, dass die erstellten Inhalte von hoher Qualität und Genauigkeit sind. Das letzte Wort sowie die Entscheidungshoheit sollte immer ein Mensch haben, schließlich ist KI fehleranfällig und nicht allwissend. Die Haftung muss bei der Redaktion liegen.
Datenschutz
Redaktionen müssen sicherstellen, dass keine sensiblen Daten in Tools wie ChatGPT und Co. landen und auch, dass es beim Sammeln und Analysieren von Daten zu keiner Verletzung von persönlichen Rechten kommt.
Bias und Diskriminierung
KI-Systeme können unvorhersehbar und anfällig für Bias sein. Sind Modelle auf Daten trainiert, die unbewusst Vorurteile oder Diskriminierung enthalten, kann dies zu falscher Berichterstattung führen. Auch hier ist menschliche Kontrolle wichtig.
Ob KI eher Chance oder Gefahr ist, hängt in vielen Fällen vom Faktor Mensch ab. Die Branche und auch die Politik müssen diesen Herausforderungen begegnen und die Bedenken offen adressieren. Sie müssen sicherstellen, dass der Einsatz von KI in der Berichterstattung ethisch und verantwortungsvoll erfolgt – im Einklang mit dem Pressekodex und Werten wie Wahrhaftigkeit und Sorgfalt.
Früh den Umgang mit KI schulen
Deswegen ist es auch umso wichtiger, dass sich Redaktionen früh mit neuen Technologien beschäftigen und sich nicht machtlos von ihnen überrollen lassen. Wer früh dabei ist, kann auch früh lernen und den verantwortungsbewussten Umgang schulen. Dann ist KI eine große Chance für die Medienbranche und kann dabei helfen, Demokratie zu sichern, anstatt sie zu gefährden.
Wird KI Redakteur:innen ersetzen?
Kann KI wirklich einen Verlust von Arbeitsplätzen bedeuten? Es stimmt, dass Automatisierungen Aufgaben übernehmen, die vorher Menschen erledigen mussten. Jedoch handelt es sich in vielen Fällen um repetitive und zeitraubende Aufgaben. Sei es, einen kurzen Tweet aus einer Meldung vorzuformulieren, Metadaten einzusetzen, Daten aufzubereiten oder aber ein Interview zu transkribieren: Der eigentliche Job von Journalist:innen und die kreative Arbeit sieht anders aus.
KI kann Redaktionen also in weniger kritischen Aufgaben entlasten und unterstützt in den Kernkompetenzen von Recherche bis Redigieren, ersetzt aber niemanden kreativ. Am Ende bleibt Redaktionen mehr Zeit für die Prozesse, auf die es ankommt: Kreativität, Urteilsvermögen, Reaktionsvermögen auf Gesten und Mimiken in einem Interview, Meinung oder Kontext geben – alles menschliche Eigenschaften für komplexe Situationen, die keine KI so schnell übernimmt.
Nur Journalist:innen schaffen etwas Neues
Außerdem kann KI nur etwas generieren, das es irgendwo schon gibt: Texte aus dem Internet, Bücher, Videos etc. dienen generativer KI als Grundlage. Auch deswegen kann KI Journalist:innen nicht ersetzen. Schließlich haben laut djv, dem Deutschen Journalismus Verband, “Journalistinnen und Journalisten die Aufgabe, Sachverhalte oder Vorgänge öffentlich zu machen, deren Kenntnis für die Gesellschaft von Bedeutung ist.” Da sie etwas Neues schaffen und Wissen vermitteln, bleiben sie für eine Demokratie immer von Bedeutung und sorgen für ein “umfassendes Informationsangebot in allen publizistischen Medien”.
Best Practices für den erfolgreichen Einsatz von KI im Journalismus
Da Künstliche Intelligenz in der Medienbranche also nicht nur Vorteile und Chancen eröffnet, sondern auch Herausforderungen mit sich bringt, ist es wichtig, sich zum erfolgreichen Einsatz von KI Gedanken zu machen. Redaktionen brauchen einen Plan, um die Einführung von KI zu begleiten.
Diese Fragen müssen sich Verantwortliche dazu stellen: Wie können die Mitarbeitenden darauf vorbereitet werden? Welche Tools dürfen eingesetzt werden? Braucht es eine KI-Strategie für Redaktionen?
Wie Teams KI in ihrer Redaktion und in der Unternehmenskultur verankern, haben wir im Whitepaper ausgearbeitet.
Der Journalismus wird sich verändern – aber nicht zum Schlechten
KI wird die Art und Weise, wie Medienhäuser Nachrichten produzieren, aber auch, wie wir sie konsumieren, stark verändern. Wer KI im Journalismus verantwortungsbewusst einsetzt, eröffnet aber vor allem Chancen für einen effizienten, relevanten und noch besseren Journalismus. In so einem Szenario ist KI in der Medienbranche kein Ersatz für menschliche Arbeit, sondern vielmehr ein Werkzeug zur Unterstützung und Verbesserung der täglichen Prozesse. Menschliches Urteilsvermögen, Kreativität und kritisches Denken bleiben unverzichtbare Fähigkeiten in der Berichterstattung – und dank KI bleibt dafür auch wieder mehr Zeit.